Mittwoch, 7. Januar 2015

Von unfreundlichen Kanadiern und Obdachlosen in Victoria’s Secret Unterwäsche



Hallo allerseits,
Ich wurde ausgeraubt.
Den neusten Geschehnissen nach zu urteilen ist mein letzter Beitrag „ich packe meinen Rucksack und nehme mit…“ doch ziemlich lächerlich. Ich bin gut in Calgary angekommen, wo Maria und Mark mich mit offenen Armen und Herzen begrüßt haben. Abends hab ich alle meine Habseligkeiten, verstaut in meinem grünen Deuter-Rucksack und meinem allzeit treuen Vans-Rucksack, in die Garage gehieft und hab mich ins Land der Träume begeben. Den -25 Grad zu danken allerdings nicht zu lange, weshalb ich mich gegen 23:00 entschied, die Nacht im Haus auf der Couch zu verbringen, weil die Garage einfach viel zu kalt war. Am nächsten Morgen gehe ich zurück in die Garage um mich anzuziehen und finde – NICHTS. Alles, und ich meine tatsächlich ALLES, weg. Meine Klamotten, die ich am Abend achtlos in die Ecke geworfen habe, durchwühlt; mein Reiserucksack weg, meine Kamera weg, mein Vans-Rucksack weg. Alles, außer meinem Schlafanzug und Luisas Elefanten – die Dinge, die ich mit im Haus hatte – weg. Somit gleich 911 gewählt, die Polizei kam vorbei und hat nach Fußabdrücken in der Garage gesucht.
 Und ich stehe im Schlafanzug 6750km Luftlinie entfernt von zuhause, beschreibe der Polizei Einzelheiten meines Rucksackes und fühl mich mehr als alleine gelassen. Man überlege sich, dass ich „nur das Nötigste“ gepackt hatte. Und nun steh ich also ohne das Nötigste da und fühl mich verloren und auch ein bisschen verarscht, wo ich den Abend vorher noch gescherzt habe, die Kanadier seien zu freundlich für Einbrüche.
 Recht gleichgültig wurde der Fall von der Polizei aufgenommen, gesagt, dass es für Einbrecher nun einmal eine willkommene Gelegenheit war, „ihre Sachen sehen Sie wohl nie wieder“ und das war’s. Aber das war’s nicht für Mark, Marias Mann, der nach ihrem Anruf direkt aus seinem Meeting gerauscht ist und auf 180 zu uns nach Hause gekommen ist. Voller Wut wie er war, hat er sich wahllos auf den Weg in die Nachbarschaft gemacht. Die Polizei hatte schon angedeutet, dass mein grüner Rucksack vermutlich schnell in irgendeiner Mülltonne landen würde, sobald dem Dieb auffiel, dass sich darin nur Kleidung befand; außerdem ist so ein hellgrüner Rucksack mit gelber Blume dran doch recht auffällig. Darin lag also noch ein Funken unserer Hoffnung.
Und als wäre es nicht absurd genug, so weit weg von zuhause – in Kanada, IN KANADA!- von allem, ALLEM, beraubt zu werden so kommt es an diesem Punkt der Geschichte noch absurder: Manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Glaubt es mir, oder glaubt es mir nicht, aber Mark ist nach drei Blocks auf einen Obdachlosen gestoßen, der meinen grünen Rucksack auf dem Rücken trug und einen weiteren Koffer hinter sich herzog. Dem Mann ist dann irgendwann aufgefallen, dass Mark ihn verfolgt und hat sich ein Taxi herangerufen, um zu entkommen. Mark hält ihn also davon ab, die Tür vom Taxi zu öffnen und schreit ihn an „das ist mein Rucksack!“. Der Obdachlose sagt immer und immer wieder „das ist mein Rucksack!“, der Taxifahrer hat natürlich keine Ahnung was er tun soll. Und wie die beiden so rangeln, öffnet Mark meinen Rucksack und zieht wahllos Kleidungsstücke heraus. Und natürlich, um diese ganze Geschichte noch merkwürdiger zu machen, ist meine Unterwäsche das erste, was ihm in die Hände gelangt. Er hält diese also dem Mann unter die Nase, zieht die Augenbrauen hoch und sagt „Ach, sowas trägst du?“. Das Gerangel um meine Unterwäsche nahm daraufhin ein Ende, Mark konnte sowohl Rucksack als auch Koffer aus dem Gewahrsam des Mannes entziehen und hat auf die Polizei gewartet. Den Aussagen des Mannes zufolge habe er die Sachen nur unter einem Baum herumliegen sehen und weil der Mann so verwirrt war und nicht einen vernünftigen Satz voreinander bekommen hat, hat die Polizei vermutet, dass er wohl tatsächlich nicht die Fähigkeit zu diesem Einbruch gehabt haben kann und seine Aussage der Wahrheit entspricht. Mark hat vor dem Obdachlosenheim weiter nach meinem schwarzen Rucksack – in dem Kamera, Reisepass, Führerschein, Visum waren – gesucht, aber alle Obdachlosen haben kooperiert und ihn nicht deren Rucksäcke sehen lassen. Die Polizei kommt aus „Sicherheitsgründen und zum Schutze der Bewohner“ nicht mehr in das Obdachlosenheim – schön zu wissen, dass nicht nur Deutschland sinnfreie Gesetze hat.
Und so habe ich zwar grandioserweise und unglaublicherweise meine Klamotten zurück – von allen Wertsachen und insbesondere meinem Reisepass inklusive Visum, allen Abschiedsbriefen die ich von euch bekommen habe, den ganzen Bildern von Luisa, meinem allzeit treuen Vans-Rucksack fehlt aber weiterhin jede Spur.
Das war nicht ganz die gelungene Begrüßung, die ich mir von Calgary erhofft hatte. Die nächsten Tage drehen sich also erstmal um Beschaffung von einem vorläufigen Reisepass. Und irgendwie fühle ich mich so ohne Spiegelreflexkamera doch ganz schön nackt.
Ich hoffe in good old OL geht’s ruhiger zu. Aber  mir geht es so weit auch ganz gut, immerhin ist kein unersetzbarer Schaden entstanden. Gar nicht auszumalen, was passiert wäre, hätte ich die Nacht doch in der Kälte der Garage ausgeharrt.  
Haltet die Ohren steif!

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