Hallo ihr
Lieben,
auch ich glaube es kaum, aber heute bin ich seit exakt einem halben Jahr in
Kanada unterwegs und es wird Zeit, Revue zu passieren. Rein gefühlstechnisch
würde ich mein letztes halbes Jahr in 5 Kapitel unterteilen.
Kapitel 1: Die Farm von
Darlene und Dale. Insbesondere: Darlene. Wäre Darlene nicht da gewesen, hätte
ich mich nach meinen ersten 3 Tagen in diesem traumhaften Land direkt in den
Flieger nach Hause gesetzt. Freunde, Familie, die Hunde, den Hof und insbesondere
natürlich Luisa zurückzulassen war ein deutlich größerer und schmerzhafterer
Schritt für mich als ich es jemals für möglich gehalten hätte –schließlich war
Kanada schon immer mein Traum und auch hier haben unendlich liebevolle Menschen
auf mich gewartet. In den zwei Monaten, die ich bei Darlene
und Dale verbracht habe, ist Darlene voll und ganz zu meiner kanadischen Oma
geworden, die ich zutiefst bewundere für alles, was sie ist, und von der ich
unendlich viel gelernt habe.
Größte Lektion: Friendship is
everything; There is friends, there is best friends and then there is friends
that become family und: Ich werde definitiv in der Nähe von Luisa studieren, alles
andere ist unvorstellbar. Nicht zu vergessen außerdem: -35 Grad ist eine
schmerzhafte Außentemperatur!
Kapitel 2: Calgary Downtown
bei Maria und Mark. Der Monat in Calgary begann damit, dass ich ausgeraubt
wurde. Nie in dem ganzen halben Jahr habe ich mich so verloren, weit weg von
zuhause und verletzlich gefühlt wie an dem Tag. Aber wieder habe ich daraus nur
eine Lektion gelernt. Maria und Mark haben mich so sehr unterstützt in meinen
Bemühungen, alles wieder gerade zu biegen (man bedenke alleine Marks
Heldenaktion, meinen Rucksack zurückzuergattern!!). Wieder wurde mir so viel
Liebe gegeben, so vieles neues bewusst gemacht. In Maria habe ich ein weiteres
Idol gefunden – neben meiner Mama hatte ich nie einen so selbstlosen,
aufopfernden Menschen gesehen und ich bewundere sie, wie sie mit ihren so
wuseligen Jungs so verständnisvoll und liebevoll umgehen kann. Zusätzlich, und
deutlich banaler, war es spitze, direkt neben dem berühmten Calgary-Zoo zu
wohnen.
Größte Lektion: Alles wird gut. Oder
noch besser: Alles ist gut. Mein Rucksack kam wieder, ein großer Teil der
Kosten für meine Wertsachen wurde von der Versicherung übernommen, kein Grund
zur Aufregung. Ich vertraue auf den positiven Fluss des Lebens
Kapitel 3: Vancouver,
Apartment in einer der spannendsten Städte der Welt mit Blick auf den
Pazifischen Ozean. Wenn mir diese Überraschung in Form des heftigsten
Apartments der Welt nicht sagen wollte „nach einem Tief kommt immer wieder ein
Hoch“, dann weiß ich auch nicht. Das Glück, was ich mit dieser Erfahrung hatte,
kann ich immer noch nicht vollständig begreifen. Ebenso wenig die
Großzügigkeit, mit der Martin mich empfangen hat. Vancouver ist eine Stadt, die
voller Leben nur so pulsiert. Erlebnisse wie der Valentinstag am Robson Square
(nachzulesen hier) haben mich tief berührt und inspiriert. Dass das
Unternehmen, von dem ich berichtet habe, dann auch noch meinen Artikel
veröffentlicht hat, war natürlich noch das Sahnehäubchen des Ganzen. Martin an
sich - ehemals Angestellter bei Apple, der die Welt mit diesem Megakonzern
bereist hat, um sich dann zu entscheiden doch lieber mit Apple als für Apple zu
arbeiten – ist ebenfalls ein Vorbild geworden: Hard work pays off.
Alleine wohnen, kochen, essen (und zwar was ich will! Stichwort: NUR
BROKKOLI!), waschen und so weiter war ein Luxus, den ich in vollen Zügen
genossen habe.
Größte Lektion: Life’s a party und
(nochmal) hard work pays off.
Kapitel 4: Ankunft von Sverre
und Lars, Vancouver und Vancouver Island. Als Sverre (und zwei Wochen später
dann auch Lars) angekommen sind, war meine Aufregung mal wieder nicht zu
zügeln. Viel zu komisch war es, die zwei Welten (Deutschland, Kanada) plötzlich
miteinander vereint zu sehen. Endlich konnte ich alle Erfahrungen teilen (woran
ich derzeit noch fleißig arbeite), war endlich wieder 24/7 von blöden Sprüchen
umgeben und wurde endlich wieder gaaaaaaanz viel geknuddelt. Zwar habe ich seit
deren Ankunft nicht einen Tag lang mal kein Deutsch gesprochen, lerne grob
geschätzt um etwa 90 Prozent weniger Leute kennen, kann nicht mehr gänzlich
alleine bestimmen, was der Tag als nächstes so bringt, dafür fühle ich mich auf
langen Busreisen und in Hostels deutlich sicherer und die Gefahr, sich alleine
zu fühlen, kommt gar nicht mehr auf. Als wir uns dann nach Vancouver Island
aufgemacht haben und die Farm, auf der wir arbeiten sollten, 4 Tage vor
eigentlichem Arbeitsbeginn abgesagt hat, wurde meine Theorie „Alles wird gut“
mal wieder hart auf die Probe gestellt. Dass wir dann erst einmal in einem
Messy-Haushalt gelandet sind mag vielleicht nicht der beste Beweis für meine
Theorie sein, aber immerhin hatten wir ein Dach über dem Kopf, eine Menge zu
essen und einen Job. Dann kam die Farm auf Port Alberni und dann auch schon
Sharka in Metchosin. Aber der widme ich ein eigenes Kapitel.
Größte Lektion: Bestätigung meiner
Überzeugungen – friendship totally is everything; Alles wird/ist gut. Sverre
ist der Beste.
Kapitel 5: Sharka, Metchosin,
Greater Victoria. Bereits als ich mit Sharkas Tochter telefoniert habe, über
die der Kontakt zu Sharka hergestellt wurde, wusste ich, dass nicht nur Sharkas
Tochter voller Liebe nur so sprüht, sondern auch dass Sharka ein echter
Goldschatz ist. Und Sharka erwies sich als noch ein viel größeres Geschenk als
gedacht. Ihr Haus ist wunderschön, riesig und lichtdurchflutet und diese Frau
steckt voller Energie und Geschichten. Sie hat uns direkt fühlen lassen, wie
willkommen wir sind und glücklicherweise hielt ihr traumhafter Garten genug
Arbeit bereit. Nach der angestrebten Woche, die wir bleiben wollten, hat sie
uns dann einfach nicht gehen lassen. Und heute schaue ich auf unfassbare
anderthalb Monate zurück, die wir bei ihr verbracht haben. Dadurch, dass wir
ihr Auto nutzen durften, sind wir an die unglaublichsten Strände gekommen (man
schaue sich alleine Mystic Beach an, Bericht folgt) und haben ebenso ihre
wunderbaren Töchter samt Familien kennengelernt. Sharkas Töchter sind beide
ewig am lächeln und haben einen Sinn für’s Rumalbern, den ich sonst selten bei
Erwachsenen gefunden habe. Wunderschöne Menschen! Clara, die ältere der beiden, steckt Hals über Kopf
im Tohuwabohu (ja, das schreibt man so) – sie hat nicht nur einen tauben und
sturen (aber ADORABLEN!!) alten Hund, eine Babykatze, 3 voller Energie (!!!)
sprühende Kinder, sondern auch noch ein riesiges, fantastisches Traumhaus
mitten auf Klippen mit Blick aufs Meer. Sie hat so viel Geduld, wertschätzt
alles, was andere für sie tun, und ist die liebevollste und verständnisvollste
junge Mutter die ich je gesehen habe.
Größte Lektion: Appreciate more
(ganz wie Clara das tut. Es ist so schön, wenn seine Bemühungen gewertschätzt
werden - und wenn es nur Kleinigkeiten sind.). Auch von Clara übernehme ich die
Regel „you don’t have to eat it, but you have to try it“, die für mich als
picky eater wirklich Gold wert ist. Von Sharka übernehme ich außerdem noch a)
„google it“ sowie b) „when in doubt, add more wine“.
Während ich das hier so schreibe, muss ich breit grinsen und freue mich über
jedes kleine Detail, was ich hier erlebt habe. Und meine Dankbarkeit für
Darlene wächst ins Unermessliche, weil mir all dies Erfahrungen entgangen
wären, wäre Darlene nicht dagewesen, hätte mir nicht gesagt, dass ich dem Ganzen ein wenig Zeit geben muss. Auch jetzt noch
wächst meine Sehnsucht nach Luisa, den Hunden, Rumalbern mit Franzi und
Rebecca, Pizza von Trattoria und meinem Fahrrad manchmal so ins Unermessliche,
dass ich am liebsten ins nächste Flugzeug nach Deutschland steigen möchte; aber
nun (nach 6 Monaten, na endlich, haha..) weiß ich, dass das alles noch da sein
wird, wenn ich wiederkomme. Dass die Menschen, die wirklich zählen auch dann
noch da sein werden, wenn ich wiederkomme und dass ich vor Freude aufjuchzen könnte, wenn ich überlege, wie viele Geschichten ich nun zu erzählen habe. Im
letzten Jahr habe ich so viel gelernt, was man mir niemals in der Schule oder
im Studium hätte vermitteln können. Trotzdem bin ich gespannt wie ein
Flitzebogen, auf welche Uni es mich nun verschlägt und kann es kaum erwarten,
mich in Büchern zu vergraben. Während ich nun also Revue passiere, bin ich vor
allem dankbar für Alle, die mich hier unterstützt haben, meinen Traum so wahr
zu machen - Meine Mama, die Goethe darin zustimmt, dass wir unseren Kindern
Flügeln mitgeben müssen; Luisa (weil ich Luisa schlichtweg für ihre Existenz
die Füße küssen möchte!!); Franzi, die mich überhaupt nicht gehen lassen wollte
und mir trotzdem immer wieder gesagt hat, dass es das Richtige ist zu gehen;
Rebecca, weil sie da ist und von positiver Energie auch dann noch strotzt, wenn
ich denke dass ich mich gleich vor lauter Flugangst übergeben muss; meine ganze
Familie (und hier nochmal ganz besonders: Krischan, weil er mir immer wieder
gesagt hat, dass das eine klasse Sache ist. Du glaubst gar nicht, wie sehr mir
das im Ohr geblieben ist!) und unzählig viele Leute, die mich hier mit offenen
Armen empfangen haben: Darlene und Dale, Nadine (das „BE HERE NOW“ Schild trage
ich täglich mit mir herum), Maria und Mark (aka Superman), Martin, Hannah,
Miriam und Julia, Sharka, Clara und und und und und.
Genug der Sentimentalitäten, wir machen uns auf die lange Busreise nach Calgary,
wo ich meine allerliebsten Kanadier (Maria und Mark, Darlene und Dale + family)
endlich Sverre vorstellen kann. Ich hoffe es geht euch gut! Haltet die Ohren
steif. Eure Svenja
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